Gert Richter
Dozent Dr. sc. phil. Gert Richter
1933 - 2015
Hochschullehrer, Archivar, Historiker, Verleger
Jörn Richter auf der Grundlage seiner Rede zur Trauerveranstaltung am 6. März 2015
Gert Richter wurde kurz nach der Machtergreifung der Nazis am 12. Februar 1933 in Erfenschlag geboren. Seine Mutter war Hausfrau, sein Vater Mechaniker, er kam aus bescheidenen Verhältnissen. Von 1939 bis 1943 besuchte er die Volksschule in Erfenschlag und danach ging er bis 1945 auf die Oberschule für Jungen an der Reitbahnstraße in Chemnitz.
Bis 1945 hatte er in Erfenschlag eine glückliche Kindheit, obwohl sein Vater 1944 in den Krieg gehen musste. Aber 1945 wendete sich für ihn vieles. Im Januar 1945 hatte er sich bei einem Rodelunfall ein Bein gebrochen. Er lag bis zum Oberschenkel im Gips. Beim Luftangriff vom 13./14. Februar 1945, einen Tage nach seinem 12. Geburtstag wurde er in Erfenschlag ausgebombt. Seine Mutter rette ihn in einen Handwagen aus dem brennenden Haus und zog ihn von Erfenschlag nach Jahnsdorf zum Bauernhof der Großeltern. Dieses Erlebnis sollte sein weiteres Leben vielfältig bestimmen. Besonders nach 1990 veröffentlichte er fast ein Dutzend Publikationen, darunter vier Bände unter dem Titel „Chemnitzer Erinnerungen 1945“, in denen er und andere Chemnitzer Bürger ihr Traumata von Krieg und Zerstörung aufarbeiteten.
Trauerkarte zur Trauerfeier am 6. März 2015
Auf dem Bauernhof seines Groß-Vaters in Jahnsdorf verbrachte Gert Richter die nächsten Jahre. Er musste dann mehr auf dem Bauernhof arbeiten, als dass er weiter zur Schule gehen konnte. Aber es ging ihnen gut, sie hatten ein Dach über den Kopf und zu essen.
In dieser Zeit kam Gert Richters Vater aus dem Krieg zurück. Die Ehe seiner Eltern ging in dieser Zeit kaputt. 1947/48 ging sein Vater als Werkzeugmacher der Arbeit nach. Diese fand er in Wuppertal und Remscheid. Vorher organisierte sein Vater für ihn noch eine Lehre als Elektromechaniker in den ehemaligen Presto-Werk an der Scheffelstraße, welches bis 1945 zur Auto Union gehörte und in dem sein Vater selbst bis 1944 gearbeitet hatte. 1950 konnte Gert Richter diese Lehre vorzeitig und als Sieger im Berufswettbewerb beenden
Danach befand sich Gert Richter von 1951 bis 1981 also über 30 Jahre ständig in der Ausbildung und Qualifizierung. Er absolvierte mehrere Fern- und kurzzeitige Direktstudien, in denen er sich zum Unterstufenlehrer, zum Fachlehrer für Geschichte und zum Diplomhistoriker qualifizierte. Diese Ausbildung führte er immer neben seiner eigentlichen beruflichen Tätigkeit, also in seiner Freizeit durch.
Sein Fern- und Direktstudium zum Diplomhistoriker schloss er 1967 an der Karl-Marx-Universität Leipzig ab. Thema war die Entwicklung des Freiberger Altertumsvereins.
Aber er hatte viele Motoren in sich, die ihn immer wieder von neuem antrieben.
Mit 38 Jahren am 14. Juli 1971 verteidigte er seine der Dissertation A über die Entwicklung der Geschichtsvereine in Freiberg, Dresden, Leipzig und Chemnitz. Spätestens hier begründete er seine Affinität für die Vereine, die er nach 1990 meisterhaft mit Leben füllte.
Der 14. Juli als DATUM wurde von ihm sehr bewusst gewählt, denn es ist der Jahrestag des Sturms auf die Bastille in Paris. Mit diesem Datum von 1789 ist mehr oder weniger der Beginn der neueren europäischen Geschichtsschreibung verbunden. Dem wollte er Tribut zollen. So war es für ihn folgerichtig dass er genau 10 Jahre später am 14. Juli 1981 seine Habil.-Schrift verteidigte
Gert Richter wurde als Kriegskind geboren und erhielt seine maßgebliche Prägung in der frühen DDR. Diese DDR formte er auch mit. Er wollte einen deutschen Friedens- und einen Arbeiter – und Bauerstaat aufbauen. Die Nachkriegspolitik der SED mit solchen Losungen wie „Nie wieder Krieg“ hatten ihn das ausgebombte Kriegskind geprägt.
Natürlich änderte er sich auch mit der Entwicklung in der DDR und in dem politischen System der DDR. Wenn er 1951 als hauptamtlicher Freundschaftspionierleiter an der Bernsdorfer Schule seinen Berufsstart begonnen hatte und in den folgenden Jahren innerhalb der FDJ Karriere machte, war es ihm immer wichtig, wie schon beschrieben, sich fortzubilden. Seine berufliche Karriere als FDJ-Funktionär endet so auch an einer sehr prononcierten Stelle im damaligen politischen System der DDR. Von 1971 bis 1974 arbeitete als amtierender Direktor der damaligen Zentralschule der Pionierorganisation Ernst Thälmann in Droyßig tätig. Amtierend deswegen, weil der damalige Direktor zur Vorbereitung der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973 eine führende Aufgabe in Berlin erhielt und durch einen seiner Stellvertreter, das war in dem Fall Gert Richter, vorübergehend ersetzt werden sollte. Doch in Droyßig endete auch seine politische Laufbahn. Geholfen hatte ihm dabei, sagte er später immer scherzend, sein Vater: Er lebte im Westen und war inzwischen Rentner. Als man Gert Richter Anfang der 1973/74 Jahre nahe legte in seiner politischen Funktion seine so genannten Westkontakte einzustellen, zeigte er Courage und sagte dazu Nein. Damit war klar, dass es für ihn keine weitere Verwendung im politisch orientierten System der Funktionärslaufbahn gab. Für Andere wäre es ein Karriere-Knick gewesen. Und auch Gert Richter suchte neu nach Orientierung.
Maßgeblich sollte nun für ihn werden, seine bis dahin profilierte wissenschaftliche Laufbahn weiter zu führen. Mit dieser Zielsetzung begann er 1977 seine Tätigkeit als Wissenschaftlicher Oberassistent an der Pädagogischen Hochschule in Zwickau und daneben seine mehrjährige Arbeit an der schon erwähnten Habilitationsschrift. Er wurde Hochschullehrer, wurde Dozent und eine Professur wäre für ihn die Erfüllung seiner wissenschaftlichen Laufbahn gewesen. Doch auch in Zwickau sah er sich immer wieder mit politischen Anforderungen konfrontiert, denen er sich nicht stellen wollte. Ihm wurde klar, dass er an der PH Zwickau keine berufliche Perspektive hatte, die ihn befriedigt hätte.
Eins fügte sich um 1980/81 zum anderen. Die Stadtverwaltung in Karl-Marx-Stadt suchte einen Direktor des Stadtarchives. Im Stadtarchiv hatte er bereits seit zwei Jahrzehnten in seiner Freizeit gearbeitet. In ihm hatte er einen großen Teil der Quellen gefunden, die die Grundlage seiner wissenschaftlichen Untersuchungen bildeten. Seit den 1960er Jahre war er mit dem Stadtarchivdirektor Dr. Rudolf Strauß und mit dessen Nachfolger Prof. Dr. Helmut Bräuer mehr als freundschaftlich verbunden. Dazu schreibt Gert Richter selbst:
Am 1. September 1981 begann ich meine Arbeit als Direktor im Stadtarchiv Karl-Marx-Stadt. Das war eigentlich nicht die logische Konsequenz meiner so genannten weiteren Entwicklung. Im 48. Lebensjahr stehend, musste es auch nicht für mich zwingend einen Neuanfang geben. Aber nach all den Querelen, die es zwischen 1977 und 1981 an der Pädagogischen Hochschule Zwickau gegeben hatte, und nach Abschluss der Dissertation B gab es für mich eigentlich nur den Wunsch, meine weitere berufliche Tätigkeit mit der bisherigen Ausbildung im Einklang zu bringen. Das bedeutete, auf dem Gebiet der Regionalgeschichte zu arbeiten.
Die Übernahme der Leitung des Archives war auch privat eine einschneidende Zäsur, denn er war nun nach über 20 Jahren, als er immer Arbeitsstellen außerhalb seines Wohnortes hatte, wieder in seiner Heimatstadt angekommen. Auch familiär wurde damit vieles anders. Der ältere Sohn war schon aus dem Haus und der jüngere Sohn stand vor dem Schulanfang.
Auf seine Söhne war Gert Richter immer sehr stolz. Jedem berichtete er immer wieder: Er habe zwei Söhne, der eine 1959 geboren und der andere 1976.
Aber, sagte er dazu. Das war nicht die Kunst. Sondern er habe beide Söhne von der gleichen Frau! Das war sein Ausrufezeichen!
Mit Ingrid Richter (geb. Korb) war er weit über 60 Jahren verbunden und 57 Jahre verheiratet. Sie war nicht nur die Frau an seiner Seite und die Mutter seiner Söhne. Ingrid Richter, selbst als Diplom-Pädagogin war immer berufstätig. Sie begleitete ihn durch dick und dünn. Sie stand ihm in all seinem Tatendrang jahrzehntelang zur Seite, sie hielt ihm den Rücken frei, sie redigierte alle seine Manuskripte, sie hörte sich vorab seine Vorträge an und sie richtete brausende Feste aus, wenn er Besuch eingeladen hatte. Mit ihr konnte er sich über alles austauschen. Mit ihr konnte er Lösungen für Probleme finden, die öfters nicht leicht waren. Und mit ihr konnte er sich - was ebenfalls dazugehört - hervorragend - wie es zu DDR - Zeiten hieß: sich in Kritik und Selbstkritik üben.
Mit seinem Gang in das Stadtarchiv hätte man eigentlich - nach seiner beendeten politischen Karriere und seiner ausgeschlagenen Hochschullaufbahn - eine Nische sehen können, wohin er sich zurückzog. Man erinnere sich nur daran, dass einige Funktionäre, die man in der DDR los haben wollte, so zu sagen in Archiven abstellte.
Das Archiv also als DDR-Nische für Gert Richter? Nein! Keineswegs! Er kam ins Stadtarchiv und hatte auch gleich einen Ein-Jahres- und einen Fünfjahresplan mitgebracht. Dabei verstand er sich auch weniger als Nischen-Archivar, sondern eher als Regionalhistoriker. Die Schaffung von Voraussetzungen für die Entwicklung der regionalgeschichtlichen Forschung war eine langfristige und zentrale Aufgabe für ihn. Gert Richter suchte dafür die Zusammenarbeit mit den Universitäten und Hochschulen. Er regte wissenschaftliche Arbeiten an und betreute diese. Er zog die Fäden, wenn es um den Ausbau des Archives ging, er beförderte den überregionalen wissenschaftlichen Buchtausch und die Herausgabe von Publikationen.
Wichtige Meilensteine in seiner Laufbahn als Direktor des Stadtarchives bis 1989 waren u. a: Die Gründung der Forschungsgruppe Regionalgeschichte zusammen mit der Technischen Universität und die Bildung des Staatsarchivs Karl-Marx-Stadt.
1988 brachte er zusammen mit seinem Kollegen und Freund Prof. Helmut Bräuer das Buch “Karl-Marx-Stadt, Geschichte der Stadt in Wort und Bild”, - ein damaliger Bestseller - heraus.
Nach den ersten Jahren dieser erfolgreichen Tätigkeit als Archivdirektor wurde die akademische Welt auf ihn aufmerksam. 1984 wurde er als erster Historiker aus dem Bezirk Karl-Marx-Stadt zum Mitglied der Historischen Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wissenschaft zu Leipzig berufen. Darauf war er bis zuletzt besonders stolz und darin sah er mehr als in allen anderen Würdigungen eine Anerkennung seiner wissenschaftlichen Arbeit.
Die Wende löste - nach einem ersten Schock - in ihm eine innere Befreiung aus.
Er begriff als Historiker die Wende sehr früh als ein historisches Ereignis, das die gesamte Gesellschaft grundlegend wandeln sollte. Für ihn war schnell klar, dass im Prozess der Selbstauflösung der DDR ein Stück seines alten Landes und seines alten Lebens verloren ging. Aber das stand für ihn nicht primär im Vordergrund.
Er begriff die Wende zuerst als Chance, um ein neues Heimatland und ein neues Leben zu gestalten. Dafür war er hochgradig motiviert.
Rede von Hartwig Albiro zur Trauerfeier 6. März 2015
Ein Menschenleben existiert in der Spanne zwischen Leben und Tod. Wir haben heute schon viel Bemerkenswertes von und über Dr. Gert Richter gehört. In einer bewegenden Trauerfeier hat heute Morgen in Einsiedel seine Urnenbeisetzung stattgefunden. Beide Söhne – Jörn und Bert – haben Ihres Vaters gedacht und in liebevollen Worten Abschied genommen. Mir bleibt Ergänzung und Bericht über persönliche Erlebnisse und Würdigung seiner Aktivitäten in der Zeit von 1989 bis in die Gegenwart.
Doch zuvor noch einige Streiflichter aus der Zeit vorher. Seit 1971 bin ich Bürger dieser Stadt. Als ich in den 80er Jahren Fragen zur Chemnitzer oder Karl-Marx-Städter Theatergeschichte hatte, sagte man mir:„Geh doch mal zum Richter Gert, der weeß Bescheid!“ Und so traf ich ihn ab und zu im Stadtarchiv, vergraben unter alten Aktenordnern und vergilbten Zeitschriften „Ein Bücherwurm“ dachte ich „etwas verstaubt“. Wir redeten miteinander. Gert Richter erzählte Storys von irgendwelchen ersten Theatertruppen, welche im Mittelalter Chemnitz bespielt hatten. Es folgten Exkurse über die 20er und 30er Jahre, über die Verbindungen der Künstler mit Sozialisten und Arbeitern in der Chemnitzer Volksbühne. Unsere Begegnungen waren mehr oder minder interessante Pflichtveranstaltungen, den Ritualen der damaligen Jahre geschuldet. Dr. Gert Richter, oder einheimischer „Der Richter Gert“, war für mich eine Karl-Marx-Städter Persönlichkeit unter vielen anderen Figuren der städtischen Ebene.
Wir verloren uns zeitweilig aus den Augen. Die erregenden Momente der friedlichen Revolution 89 forderten das Schauspielensemble und mich als deren Leiter in ganz besonderem Maße. Die mühsam erkämpfte Meinungsfreiheit wucherte - Personen gingen und kamen - Wertvorstellungen mussten neu definiert werden. Bei den vielen politischen Foren, welche wir im Schauspielhaus durchführten, ging es gegen drohenden Kulturverfall. Bilderstürmerei war die Gefahr der Stunde. Der Zorn über vergangene DDR Reglementierungen schuf unsinnige Argumente. Alle russischen Namen wurden zum Objekt der Angriffsbegierde. Puschkin und Gorki wurden mit Gagarin gleichgesetzt - die Geschwister Scholl zu Kommunisten erklärt.
In dieser Zeit wurde Gert Richter auf neuer Weise aktiv. Ich erlebte ihn im Schauspielhaus bei einer Debatte über geplante Straßen Um- oder Neubenennungen. Leidenschaftlich plädierte er besonnen und beherzt für das Neue, welche das Alte nicht vergessen durfte. Wir schlugen eine gemeinsame Klinge. Gert Richter war wie ein Phönix aus der Asche auferstanden und brachte sich und Volkes Stimme ein in die Misstöne der Besserwissenden und Racheengel. Von nun an begegneten wir uns öfter. Ich war Zeuge wie Gert Richter sich um die Wiederbelebung der Chemnitzer Volksbühne bemühte, ich vernahm vom geglückten Versuch der Neugründung des Chemnitzer Geschichtsverein, ich war zugegen bei Erfindung des Fördervereins der Städtischen Theater - überall, wo etwas Neues zu organisieren war, stand Gert Richter in der ersten Reihe. Wie kaum ein anderer hatte er begriffen, dass die Neuordnung der Gesellschaft den aktiven Bürger benötigte. Die DDR Phrase „Plane mit, arbeite mit, regiere mit“, im Volksmund immer spöttisch mit „Plane mit, arbeite mit, reagiere mit“ bewitzelt, feierte plötzlich eine echte, auf den Kern der Sache gehende Geburt. Beeindruckend die Zähigkeit und Sturheit, mit der Gert Richter seine Ziele verfolgte, wie weit er den Bogen, bedingt durch seine historischen Kenntnisse, schlagen konnte. Eines Tages wurde ich angesprochen, mich an der Neugründung des Chemnitzer Rotary Club zu beteiligen. Als ich in den Chemnitzer Hof kam - wer saß schon da? Dr. Gert Richter. Als weiter Gründungen von ihm müsste man noch nennen:
- Chemnitzer Geschichtsverein
- Neue Chemnitzer Kunsthütte
- Förderverein des Industriemuseums Chemnitz
- Landesverband der Archivare Sachsen
- Heimatverein Chemnitz
- Gesellschaft der Freunde der TU Chemnitz
- AG Wiederherstellung des Saxoniabrunnens
- Bürgerverein für Chemnitz Erfenschlag.
Aber nicht von Quantität, sondern von Qualität will ich hier sprechen.
Beispiele:
Der Geschichtsverein. Ein lebendiges Zeichen aktiver Vergangenheitsbetrachtung. Dieser Verein, den er lange Zeit als Vorsitzender der Öffentlichkeit nachhaltig wieder ins Bewusstsein gerückt hatte, ist bis heute ein Aktivposten in der Erinnerungsarbeit von Agricola bis zur Bernhardschen Spinnerei.
Zweites Beispiel.
Der Bürgerverein „FUER Chemnitz“. Eines Tages überraschte mich Gert Richter mit der Idee: „Das Image der Stadt ist schlecht, die Zusammenarbeit zwischen Bürgern und Stadtverwaltung könnte besser sein, wir gründen einen Bürgerverein.“ Meine zögernde Zustimmung nutzte er gleich zum Generalangriff: „Und Du musst den Vorsitz machen“. Mit Zähigkeit und Kontakten wurde dieses, von manchen Parteipolitikern auch angezweifelte neue Kind in die Welt gesetzt und ist mittlerweile fester Bestandteil der Chemnitzer Bürgerbewegung. Gestern haben wir des 70. Jahrestages der Bombardierung von Chemnitz gedacht. Damit dieser Tag nicht im Trauerkult versinkt und rechten Rattenfängern Chance für populistische Parolen bietet, hat der Bürgerverein den Chemnitzer Friedenspreis geschaffen und die Schirmherrschaft über den Chemnitzer Friedenstag inne. Gert Richter, in den ersten Jahren aktives Vorstandsmitglied, hat wesentlichen Anteil daran, dass mit der These „Vergangenheit erinnern – Gegenwart gestalten“ der Chemnitzer Friedenstag jetzt fester Bestandteil der gegenwartsbezogenen Erinnerungskultur der Bürger und der Stadtverwaltung ist.
Sein historisches Wissen hat er immer gepaart mit dem Wunsch, es in die Gegenwart zu transportieren. Die Erinnerung an so bedeutende Chemnitzer Persönlichkeiten wie Stefan Heym, Marianne Brandt und Martha Schrag beflügelte ihn zur Mitwirkung an der optischen Würdigung im Stadtbild mit Stelen, Reliefen, Gedenktafeln und Büsten.
Zu den frühen Aktivitäten gehört auch die Gründung des Verlages Heimatland, zusammen mit Gabriele Roßberg und Gottried Müller. Seit 1990 besticht dieser Verlag mit der Herausgabe wertvoller Buchbände, die optisch und literaturgeschichtlich ein intensives Material über Chemnitz liefern. Unter Mitwirkung und im Sinne der beiden Chemnitzer Altherrenurgesteine Müller und Richter lenkt seit Beginn des neuen Jahrtausends sein Sohn Jörn die Geschicke des Verlages erfolgreich weiter.
Erinnerungssplitter drängen sich optisch und akustisch in meine Gedanken – ich gebe sie weiter.
Gert Richter mit Spaten und Schaufel bei der Rotary Aktion „Bäume für Chemnitz“ in Altenhain
Kleines Abendbrot im Siegertschen Haus am Markt mit Gert, Ingrid und Wolfgang Weidlich, eine wichtige Altchemnitzer Persönlichkeit aus Frankfurt, über die Stiftung des Weidlich Preises und Probleme unserer Stadt.
Gert Richter bei der Initiative des Bürgervereins „Für ein sauberes Chemnitz“ mit Eimer und Scheuerbürste liebevoll seinen Agricola in der Klosterstraße vom Gegenwartsdreck befreiend.
Rotary Vortag über die Verleumdung eines Chemnitzer Theaterintendanten in der Nazizeit. Als sein Helfer zitiere ich historische Dokumente und muss „Heil Hitler“ rufen!
Und immer wieder Telefonate! (O Ton Gert Richter) „Wir müssen „Pfortensteg“ - das ist ein Roman über Chemnitzer Geschichte zu Beginn der NS Zeit – präsentieren! Ich brauche Deine Stimme“.
Und natürlich hat das jüngste Kind des Rotary Clubs „Die Großen Chemnitzer“ am Roten Turm auch seine Unterstützung gefunden.
Ich breche aus Zeitgründen ab, einiges ist genannt, vieles, vor allem Familiäres, unerwähnt.
Vielleicht noch eins.
Die große Herausforderung, die ihm mit Bau des Hauses und dem Umzug nach dem geliebten Erfenschlag bevorstand, hat ihn mobilisiert und erfüllt. Zitat. „Das ist ein großes Ding – aber das schaffe ich noch!“ Lieber Gert, Du hast es geschafft und viele Deiner letzten Aktivitäten auf und aus dem Gelände Deiner Ahnen gestartet. So bleibt für uns in der Stunde des Abschiedes das vitale und lebendige Bild einer Persönlichkeit, welche sich unermüdlich und aktiv für Bürgerinteressen einsetzt hat.
Wir haben es gelesen und gehört. „Leben ist Erfüllung durch Arbeit“. Dr. Gert Richter hat alle Möglichkeiten, die ihm die demokratischen Strukturen unserer Gesellschaft geboten haben, zu seinem kreativen und erfüllten Leben genutzt.
Bert Brecht hat einmal gewünscht, dass auf seinem Grabstein stehe: „Er hat Vorschläge gemacht“ Bei Gert Richter müsste man ergänzen „…. und umgesetzt“
Danke, lieber Gert!